Go East - But Stay in Vienna

Amerikanische Unternehmen schätzen (wieder) den Standort Wien für ihre Geschäfte in Zentralosteuropa: Das ist die Kernaussage einer Studie, die von der Amerikanischen Handelskammer in Österreich, der Amerikanischen Botschaft und der Unternehmensberatung Booz-Allen & Hamilton verfasst wurde.

Dass Wien als ,,hub" für Ost-Geschäfte wiederentdeckt wurde, ist gar nicht so selbstverständlich: Mit dem Go East der US-Konzerne, das nach dem Fall der Berliner Mauer einsetzte, verlor die traditionelle Ostblock-Verbindung österreichischer Handelsunternehmen ihre dominierende Stellung. Die Neuankömmlinge glaubten, ohne ihre Expertise auf die unerforschten Märkte vordringen zu können. Heute stellen sie fest, dass sie oftmals die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung überschätzt, die anlaufenden Probleme aber unterschätzt hatten. Beeindruckende 58 Prozent der in der Studie Befragten wissen von US-Firmen, die sich aus Osteuropa wieder zurückzogen, dies vorhaben oder ihre Repräsentanzen verkleinern wollen. Rechtsunsicherheit, hoher Aufwand bei geringen Umsätzen, politisches Risiko, mangelhafte Infrastruktur und Kriminalität vergällen die Geschäfte.

Abwarten im Freizeitparadies

Nun will man den Fuß in der Türe lasen und zieht sich nach Wien zurück, um abzuwarten, bis sich die Umstände bessern. Good Old Vienna erlebt als Standort eine kleine Renaissance: Da ist zum einen die geographische Tatsache, dass Wien nicht nur ein Verkehrsknotenpunkt für Zentralosteuropa ist, sondern auch - von vielen US-Unternehmen offensichtlich nicht so leicht zu realisieren - östlich von einigen Hauptstädten und somit mitten in der Region liegt. Als weiteren Pluspunkt bewerten die befragten Unternehmen, dass in Österreich genügend Angestellte mit Osteuropa-Kenntnis zur Verfügung stehen. Und nicht zuletzt, unvermeidlich bei allen Umfragen zum Unternehmensstandort Osterreich, spielt die Lebensqualität eine enorme Rolle: In Wien gibt es die besten internationalen Schulen, und kaum eine Stadt/ein Land sei so sicher und freizeitfreundlich.

Von den ungefähr 400 amerikanischen Firmen in Österreich sind 200 in Osteuropa aktiv; 72 Prozent haben die Headquarters für die Leitung ihrer Ost-Geschäfte hier, die restlichen besitzen nur Teilkompetenzen.

Wien wird sich jedoch für die Zukunft rüsten müssen: Es erwächst neue Konkurrenz in Prag, Budapest und Warschau. Noch profitiert Osterreich von seinem EU-Bonus, den zwei Drittel für ihre Ost-Zentrale wichtig bis sehr wichtig halten:

Schätzten sie die Bedeutung von Wien in den letzten Jahren noch zu 58 Prozent als zunehmend, sinkt diese Quote mit dem EU-Beitritt einiger Länder auf 39 Prozent.

Die Qualität des Schulsystems ist für US-Expatriates die wichtigste ,,soft fact"; hier wird Österreich mit 1,6 benotet (Osteuropa: 3,3). Dann folgt schon der Faktor Sicherheit, wo Osterreich mit 1,3 gegenüber 3,8 für Osteuropa aussteigt: Sieben Mal mehr Autodiebstähle in Tschechien, mehr als doppelt soviel Morde in Ungarn - das beeindruckt amerikanisches Security-Denken. Die beste Bewertung bekommen Kultur-, Einkaufs- und Sportmöglichkeiten mit 1,2 (Osteuropa: 3,4). Das letztgereihte ,,weiche" Kriterium sind erstaunlicherweise die Lebenshaltungskosten, die jedoch mit der Note 2,8 nicht soviel schlechter bewertet sind als im Osten (2,4). Verglichen mit anderen Hauptstädten sind Büromieten in Wiener City-Lage sogar günstig: In Warschau, Prag, Berlin und Budapest kostet der Quadratmeter mehr, in Moskau fast drei Mal soviel.

Bei den wirtschaftlichen Kriterien legen die US-Expatriates am meisten Wert darauf, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter rekrutieren zu können. Das gelinge ihnen in Österreich (Note 1,8) besser als in Osteuropa (2,8). Verkehr- und Telekommunikationsinfrastruktur (wiewohl immer noch zu teuer), Stabilität, Anbindung an internationale Verkehrsnetze und Verfügbarkeit zugekaufter Rechts- und Finanzdienstleistungen punkten besonders stark.

Auffallend: Wenn es um die Nähe zum Zielmarkt geht, fährt man von Österreich aus besser als von den östlichen Nachbarn, ein Plus für die gute verkehrstechnische Anbindung. Eine Autobahnverbindung nach Brünn könnte aber, so die staugenervten Manager, nicht schaden.

Dass Lohnhöhe und Lohnnebenkosten weit abgeschlagen rangieren, verwundert nicht, wird aber nicht als wichtiges Kriterium gesehen, da die meisten US-Firmen in Wien als Dienstleister mit relativ wenigen Angestellten operieren. Der zweite im Ost-Vergleich negativ bewertete Punkt, Arbeitsbewilligungen und Visa, sollte mehr zu denken geben: Stark kritisiert wird die Umständlichkeit, mit der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen für US-Führungskräfte zu erhalten sind und wie aufwendig es ist, Osteuropäer zum Training nach Österreich zu bringen.

Fragen?
Reden Sie mal
mit uns

 

back.gif (139 bytes)